* nach (EBERHARD 1999: 126f) ist Möglichkeit 1 ein Beispiel für eine Induktion.
** diese Conclusio ist sinnlos, denn sie mißachtet Hierarchien
1.2.3. Hierarchie
Man stelle sich eine dreistufige Hierarchie vor. Die Abduktion
verbindet die oberste Stufe mit der untersten. Diese Zuordnung ist
risikoreich und wird nur durch die Erfindung einer Definition
abgesegnet. Ganz anders bei der Induktion und bei der Deduktion (siehe
Tabelle 2): Hier wird zwar auch eben diese Definition benötigt, diese
wird jedoch nicht erzeugt. Bei der Induktion sind die beiden untersten
Stufen bekannt, die oberste Stufe ergibt sich damit automatisch. Bei der
Deduktion gilt der umgekehrte Fall, aus den beiden obersten Stufen
leitet sich zwingend die unterste Stufe ab.
1.2.4. Bezug
Ein System lässt sich in seiner Ganzheit nur unscharf (qualitativ)
abgrenzen, da es sich immer um ein offenes System handelt. Ein
Teilsystem lässt sich dagegen scharf (quantitativ) abgrenzen. Allerdings
ist dessen Systembezug eingeschränkt. Die Reduktionisten müssen daher
lernen, in ihrem System zwischen den Akteuren und dem passiven Rest zu
unterscheiden. Dafür kann aber das System für ein Experiment nachgebaut
werden. Die Versuche legen die Einführung von Messgrößen nahe, mit denen
sich dann die Intensität der Kräfte bzw. der Krafteinwirkungen angeben
lassen. Mit Hilfe statistischer Methoden können die quantitativen
Wertemengen neuerdings auch 'unscharf' erfasst werden.
1.2.4.1. ganzheitlich
- realistisch (Wie sieht die Sache aus?)
- analytisch (Woraus besteht die Sache?)
- historisch (Wie ist die Sache gewachsen?)
- teleologisch (Welchen Zweck hat die Sache?)
1.2.4.2. reduktionistisch
- statistisch (Wie sind die Messwerte verteilt?)
- methodisch (Wie wird gemessen?)
- theoretisch (Wie werden die Messwerte erklärt?)
- kritisch (Wie werden die Messwerte bewertet?)
1.3. Denkrahmen
Die Erkenntnistheorie ist erst im Laufe der Geschichte
entstanden. Als besonders aufschlußreich erwiesen sich dabei die
Umbrüche des Denkens in der Antike, in der Renaissance und seit etwa
hundert Jahren. Das nachfolgende Kapitel idealisiert hieraus vier
verschiedene Denkrahmen.
1.3.1. magisch
Viele Mythen ranken sich um die bewusste Vernichtung dieses
Denkrahmens als gesellschaftstragende Kultur (Atlantis, Odyssee,
Nibelungen). Die Metaebene entsteht dabei durch Zauber. Alle Dinge
durchlaufen Zyklen. Unsichtbares kann in Trance gesehen werden. Heute
lebt diese Welt nur noch in wenigen Kulten (Drogen, Esoterik, Nazis?)
und in uralten Naturreligionen fort.
1.3.2. metaphysisch
Dieser Denkrahmen feiert im klassischen Griechenland seinen
Durchbruch. Er bestimmt das geistige Leben der Menschen in Europa erneut
im Mittelalter. Die Metaebene vertraut dabei auf die Logik und die
göttliche Vernunft. Die Suche nach den ersten Ursachen lässt in der
Antike die Wissenschaften entstehen und im Mittelalter bis auf die
Theologie wieder verschwinden. Die Harmonie der Sphären durchdringt den
ganzen Kosmos.
1.3.3. ökozentrisch
Dieser Denkrahmen hat seine Zeit erst noch vor sich. Seine Metaebene
ist evolutionär und chaotisch. Komplexe Netzwerke verhalten sich in
Computersimulationen wie Organismen. Die Sinnenwelt des Menschen ist das
Spiegelbild seines Lebensraumes. Für die Zielsetzung einer nachhaltigen
Entwicklung bedeutet 'weniger' meistens 'mehr'.
1.3.4. anthropozentrisch
Dieser Denkrahmen ist in Europa während der Römerzeit und
gegenwärtig verbreitet. Seine Metaebene entsteht durch die Technik. Die
Wissenschaften denaturieren die Welt auf messbare Größen, einer
Naturphilosophie stehen sie skeptisch gegenüber. Logistische
Optimierungen (Militär, Wirtschaft) sind auf ein rasantes Wachstum hin
angelegt. Machbarkeitsstudien loten den Bereich des technisch und
finanziell Möglichen aus. Die Gesellschaft zerfällt in lose,
bindungsunfähige Gruppen. Der Einzelne hat die Wahl zwischen einem
sinnlosen Leben in Disziplin oder in Genuß. Geld ist der einzige Wert
für Freiheit. Im allgemeinen Wettstreit werden die Verlierer von den
Gewinnern kolonialisiert oder als Dritte Welt ausgelacht.
1.3.4.1. sozial
Mindeststandards sollen die Gefahren des technischen Fortschrittes abwehren.
1.3.4.2. liberal
Der technische Fortschritt soll unbehelligt die bessere
Zukunft einläuten.
1.4. Richtung des Denkens
Achtung!
Der Kern des Denkens ist eine Abduktion. Wer Dualismen ('Kategorien' bei
KANT) diese Aufgabe zuweist, begeht einen Denkfehler! Dieser ergibt
sich daraus, daß es in den Sprachen zwar Wörter bzw. Symbole für das
Sein gibt, jedoch nicht für das Nichts.
- Sein = Sein
(Dieser Ausdruck ist richtig!)
- Nichts = Nichts
(Dieser Ausdruck ist falsch (!), da er bedeutet, daß das Nichts ein Gleich-Sein ist.)
In derZeit lassen sich dagegen jederzeit Vergleiche ziehen.
- nie [Nicht-Sein](leere Menge)
- manchmal [Da-Sein](Grundmenge)
- immer [Seiend](Menge aller Mengen)
- vorher/nachher [a priori/a posteriori](Teilmenge)
Wie bereits an der Abduktion, Induktion und Deduktion gezeigt,
kommt das folgerichtige Denken nicht umhin, eine Definition der
Zuordnung zu benützen, die nicht folgerichtig entstanden ist. Es sollte
daher möglich sein, die Richtigkeit dieser Definition zu erkennen.
1.4.1. a priori
Wir haben von Vorneherein die ungefähre Vorstellung eines Prototypen
bereits im Kopf. Diese Form der Bestätigung ist jedoch problematisch.
So berichtet (RAVN 1995:184): "Beispielsweise werden Spatzen und
Amseln von den meisten Menschen als typische Vögel betrachtet, während
Pinguine und gebratene Enten als weniger typisch angesehen werden". Bestätigungen a priori sind eigentlich Prognosen und damit letztendlich Annahmen.
1.4.2. a posteriori
Wir typisieren im Nachhinein:Quantitativ gelingt dies mit
Hilfe einer Korrelation, die als Ergebnis eine Rangliste der
verglichenen Gegenstände und damit auch den perfekten Merkmalsträger
präsentiert. Der qualitative Weg ist mühsamer, aber er führt
genauso zum Ziel: Man nehme einen Gegenstand und beschreibe ihn so
vollständig wie möglich. Man nehme einen zweiten Gegenstand und
vergleiche diesen mit der Beschreibung des ersten. Nur die Unterschiede
der beiden Gegenstände werden als Gegensatzpaar niedergeschrieben. Man
nehme einen dritten Gegenstand und vergleiche ihn mit den Gegensätzen
der ersten beiden. Auch hier interessieren nur die Unterschiede, wobei
jedoch ab sofort die bisherige Niederschrift um die neuen Gegensatzpaare
ergänzt wird. Man nehme einen vierten Gegenstand und vergleiche ihn mit
dem Aufschrieb ... Wenn alle Gegenstände miteinander verglichen wurden,
sind die Gegensätze aller Gegenstände bekannt. Die einzelnen
Gegensatzpaare lassen sich nun gruppieren. Nur dann, wenn diese Gruppen
mit der untersten Stufe der definierten Hierarchie übereinstimmen und es
keinen Widerspruch zur obersten Stufe gibt, ist die Definition der
mittleren Stufe richtig.
KAPITEL 2: THEORIE DES RAUMES
Ohne eine Vorstellung des Raumes lässt sich in
der Realität nicht viel erreichen. Der Haken ist, daß es verschiedene
Räume gibt. Der ideelle Raum wurde im Kapitel 1 behandelt. Die reellen
Räume der Astrophysiker, Maschinenbauer und Biologen werden jetzt in
Kapitel 2 folgen. Aus Sicht des Menschen sind alle diese Räume
grundverschieden, die Deduktion hin zu Kapitel 3 verliert also nicht
ihre Berechtigung. Es sollte nur klar sein, daß im Folgenden das
Vorhandensein
des Planeten Erde überhaupt nicht interessiert. Unser Denken ist zwar im
Verlauf der Evolution auf der Erde entstanden. Wenn es aber mit diesem
Denken möglich ist, abstrakte Sachverhalte auszudrücken, gleicht es dann
nicht einer Amputation, wenn man darauf verzichtet und statt dessen die
Erdoberfläche ins Spiel bringt?
2.1 Geometrie des Raumes
Die Begründung des Raumes ruht zunächst auf mathematischen
Vorstellungen. Das Zusammenspiel aller Vorstellungen hat jedoch mit
Mathematik nicht mehr viel gemein. Die Wahrnehmung der Formen des Raumes
ist die Domäne der Geographie, deren Erzeugung die der Architektur und
der Choreographie.
2.1.1. nichteuklidisch
Die nichteuklidische Geometrie besagt, daß der Raum gekrümmt und
vielleicht in sich geschloßen ist. Durch die Verzerrung der einzelnen
Richtungen (Dimensionen) geht ohne Kompass die Orientierung bald
verloren. Dies betrifft insbesondere die reduktionistische
Unterscheidung von aktiv und passiv.
2.1.2. euklidisch
Die euklidische Geometrie besagt, daß der Raum eckig-dimensional und
unendlich groß ist. Der euklidische Raum ist der bevorzugte
Aufenthaltsort für Reduktionisten. Raum und Zeit werden dann in einem
vierdimensionalen Koordinatensystem lokalisiert.
2.1.3. Raummuster
Die Formen des Raumes treten im Raum als Kompositionen auf. Nur zwei
Wissenschaften kommen in Frage, um die Noten der Raumpartitur zu
entziffern. Die eine, die Choreographie, ist die Schrift des Tanzes, die
andere, die Geographie, ist die Schrift des Raummusters. Alle
mathematisch formalisierten Vorschläge (dynamische Systeme) hierzu sind
bisher gescheitert. Die Evolution entpuppt sich immer mehr als
unkomprimierbarer Algorithmus.
2.1.4. Symmetrie
Symmetrien lassen sich durch einen Algorithmus künstlich erzeugen.
Umgekehrt sollte also die im Raummuster tatsächlich verwirklichte
Symmetrie einer Form den Stellenwert der Form zur Gewinnung des
Algorithmus wiedergeben. Zur Erklärung von Entwicklungen, das heißt, bei
der Veränderung von Wahrscheinlichkeiten, könnten dann Symmetriebrüche
herangezogen werden. Selbigem Gedankengang macht die Chaostheorie einen
Strich durch die Rechnung. Die Symmetrien, die uns umgeben, sind danach
zwar schon iterativ entstanden, allerdings waren an ihrer Konstruktion
ständig irgendwelche Störgrößen (Rückkopplungen) beteiligt, die zudem in
ihrer Intensität schwankten. Es ist also nicht möglich, einen
Algorithmus für eine reale Form anzugeben. Interessanterweise eignen
sich manchmal nicht-iterative physikalische Gesetze zur Erklärung
bestimmter Formen des Raummusters.
2.1.4.1. iterativ
Diese Symmetrie entsteht durch das wiederholte Anwenden des
Algorithmus in alle Richtungen, wobei das letzte Ergebnis jedesmal die
neue Startposition markiert. Die resultierende Form wird dann eine rauhe
Oberfläche mit fraktaler Dimension besitzen.
2.1.4.2. polar
Diese Symmetrie entsteht durch das einmalige Anwenden des
Algorithmus in eine Richtung. Die gespiegelte Form unterscheidet sich
vom Original entweder durch ihren Drehsinn oder durch ihre Ausrichtung.
2.2. Umwelt des Raumes
Der Mensch nimmt eine ambivalente Haltung zur Umwelt ein.
Einerseits umfasst ihn die Umwelt, der er sich dann ausgeliefert sieht,
andererseits erfasst er die Umwelt, die er dann als Außenstehender nach
seinen Vorstellungen umgestaltet. Letzteres gelang ihm zwischenzeitlich
so gut, daß ihn sein selbst geschaffener Lebensraum zusehens befremdet.
2.2.1. Bestand
Die Produkte der Evolution können in Systematiken gesammelt und
klassifiziert werden, vielleicht lassen sie sich sogar in verschiedenen
Periodensystemen zusammenfassen. Einer Bestandsaufnahme der Umwelt steht
nichts im Wege.
2.2.2. Sphäre
Sphären lassen sich in ihrer Geometrie nicht festgelegen. Sie
repräsentieren den Geltungsbereich eines Systemes. Verschiedene Systeme,
sowie die Sphären, können sich gegenseitig durchdringen. Beide
erschaffen sich und verschwinden wieder, ohne daß die Zustandsgesetze
eines Systemes verletzt werden.
2.2.3. Phase
Die Evolution gliedert sich in Phasen auf. Diese betreffen die
Herausbildung des Raumes, der Materie, der Gestirne, des Lebens und des
Geistigen.
2.2.4. Zugang
Durch den Sündenfall des Geistigen hat der Mensch seine
paradiesische Unschuld gegenüber der Umwelt verloren. Der Zugang erfolgt
seither nicht mehr unvoreingenommen, sondern mit mehr oder weniger
Hintergedanken.
2.2.4.1. ideologisch
Die Umwelt bekommt eine Aufgabe für den Fortbestand des Lebens zugewiesen.
2.2.4.2. empirisch
Die Umwelt liefert praktischerweise die Dinge des täglichen Lebens.
Achtung! Das Wort 'empirisch' vermengt im normalen
Sprachgebrauch mehrere Bedeutungen:
1. frei von Hintergedanken
2. sinnliche Wahrnehmung
3. messen
4. reduktionistisch
5. a posteriori
6. keine theoretische Wissenschaft
2.3. Wesen des Raumes
Das Wesen einer Sache liegt in dem, was diese Sache unverkennbar macht.
2.3.1. Körper
Jeder Körper hat eine bestimmte Größe, eine bestimmte Figürlichkeit
und einen Puls. Auch eine Welle ist ein Körper. Es spielt keine Rolle,
wie genau sich ein Körper messen lässt, selbst optische Täuschungen
nehmen körperliche Gestalt an.
2.3.2. Substanz
Die Substanz ist die Ur-Sache. Die Einführung von Substanzen ist
notwendig, damit aus Ideen reale Dinge entstehen können. Oft werden
Substanzen gesucht, mit denen sich bestimmte Ideen umsetzen lassen.
2.3.3. Materie
Die Existenz von Materie hängt davon ab, welche Rahmenbedingungen
sich eingestellt haben. Materie hat also keine Substanz und keinen
Körper, sie besteht nur aus den Eigenschaften, die sich unter den
jeweiligen Rahmenbedingungen zeigen. Auch die kleinsten Bausteine der
Welt sind Materie, solange sie den Status eines Elementarteilchens
innehaben.
2.3.4. Freiheit
Jeder Mensch sondiert die Lage, denn jeder möchte die Gelegenheiten,
die sich ihm anbieten, auch nutzen, um seine Ideen verwirklichen zu
können. Diese Freiheit darf dem Einzelnen jedoch nicht grenzenlos
zugebilligt werden, denn es muss zugleich Raum für die Entfaltung aller
Menschen bleiben. Freiheit wird damit zur Angelegenheit von res privata
und res publica.
2.3.4.1. kollektiv
Die Freiheit äußert sich in der Verfassung.
2.3.4.2. individuell
Die Freiheit äußert sich im privaten Vermögen.
2.4. Natur des Raumes
Die Erkenntnistheorie versucht bekanntlich, das erkennende
Subjekt und das erkannte Objekt abzuwägen. Dieser Versuch ist sicher
nicht einfach und es gibt daher eine Vielzahl unterschiedlicher
Meinungen darüber, wo sich die Mitte befindet und wie das Gleichgewicht
erreicht werden kann.
2.4.1. objektiv
Die Natur schließt den Menschen mit ein, kann aber auch ohne ihn leben. Die Gesetze der Natur sind auch für uns Menschen gültig.
2.4.2. subjektiv
Die Natur entsteht nur durch das Denken eines lebenden Menschen. Die Naturgesetze sind in Wirklichkeit unsere eigenen.
KAPITEL 3: THEORIE DER RAUMERKENNTNIS
In diesem Kapitel soll endlich die Frage 'Was
ist Geographie?' beantwortet werden. Wie der Titel 'Theorie der
Raumerkenntnis' es bereits anzeigt, stellt dieses Kapitel die Conclusio
der beiden vorherigen Kapitel 'Theorie der Erkenntnis' und 'Theorie des
Raumes' dar. Die Folgen des Sprunges von der gefolgerten Raumerkenntnis
zur geforderten Geographie werden im Text durch die Hereinnahme psychologischer Erklärungen
gemildert. Andererseits stellen die möglichen Folgen auch keinen Grund
zur Besorgnis dar. Fremde Wissenschaften berühren zwar hier und da
ebenfalls die Raumerkenntnis, doch nur die Geographie deckt diese
vollständig ab.
3.1. Gegenstand der Geographie
Geometrisches Denken ist zwangsläufig mit dem Entwurf von
Gegenständen verbunden, doch was bedeutet der Gegenstand der
Raumerkenntnis in der Vorstellung des Menschen?
3.1.1. Kontinuum
Der Gegenstand entsteht als Einheit aller Denkschichten. Markante
Wechsel in der Ausprägung von Denkschichten stellen Grenzen dar.
Grenzziehungen gehören zum Sozialverhalten des Menschen und
unterteilen die Erdoberfläche in verschiedene Machtbereiche. Innerhalb
der Grenzen sollen überall die gleichen Bedingungen herrschen. Dieser
Vorgang kann die Erdoberfläche zonieren oder bei einem Denker den
Verdacht nähren, daß es da noch einen Gegenstand ohne Namen gibt. Wenn
nicht der Raum, sondern die Zeit in Abschnitte eingeteilt wird, so ist
zu beachten, daß diese Abschnitte als Phasen oder Stadien nicht
aufeinander aufbauen, sondern auf der Zeitachse gleichberechtigt
nebeneinander liegen.
3.1.2. Struktur
Der Gegenstand entsteht durch die Überlagerung verschiedener
Funktionen. Die Standorte, von denen die Wellen ausgehen, und
diejenigen, die diese empfangen, bilden zusammen ein Netzwerk.
Netzwerke stehen für Sicherheit, denn wenn das Netz erst
einmal die ganze Erde umspannt, droht an keiner Grenze mehr Gefahr.
Netzwerke sind beispielsweise die Verflechtungen eines Unternehmens. Mit
unterschiedlicher Intensität empfangen die einzelnen Niederlassungen
(Filialen, Tante Emma-Läden) und die Zulieferer von der Zentrale ihre
Anweisungen. Es liegt im Interesse des Unternehmens, weltweit im
Marktgeschehen vertreten zu sein, und dabei auch verschiedene
Geschäftsfelder innezuhaben, für den Fall, daß ein Geschäftsfeld
Probleme bereitet.
3.1.3. Genese
Der Formenschatz des Raummusters lässt sich nicht durch einen
Algorithmus erklären, sondern nur durch seine Genese. Das Raummuster
erscheint reliefiert, da die einzelnen Formen häufig übereinanderliegen.
Das Relief des Raumes kann dabei unsichtbar im Untergrund liegen
(Archäologie) oder sich als Ensemble von Voll- und Hohlformen jedermann
sichtbar präsentieren.
GENESE
- Chronosequenz (Wie verändert sich das Aussehen der Formen?)
- Toposequenz (Wo befinden sich die Formen im Relief?)
- Reliefgeneration (Wie ist das Relief gewachsen?)
- autochthon / allochthon (Woher kommen die Formen?)
Durch die Rekonstruktion des Tatherganges erlangt der Mensch
Gewissheit darüber, was passiert ist. Mit diesem Wissen können alle
raumbezogenen Aussagen auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden.
Häufig müssen hierzu topographische Karten interpretiert werden oder im
Gelände mühsam Catenen angefertigt werden, die dann allerdings nur einen
möglichen Zusammenhang zwischen den Formen und dem Untergrund
(Lithosequenz) aufzeigen können. Chrono- und Toposequenzen sind
diesbezüglich bereits idealisiert.
3.1.4. Formenwandel
Der Formenwandel ist nicht real, er geschieht in unserer Phantasie.
Aber nur so lassen sich die kontinuierliche und die diskrete
Betrachtungsweise miteinander verbinden. Einerseits beschreibt das
eingebildete Gefälle zwischen den Formen die fließenden Übergänge des
Kontinuums, andererseits treten die Formen ja nur an ganz bestimmten
Standorten auf. Der Formenwandel liefert darüber hinaus die Grundlage
für eine Schrift des Raumes, denn jedes Gefälle kann in der
zweidimensionalen Projektion durch Isolinien gezeichnet werden.
Die Neugier des Menschen treibt diesen ständig an, bisher
verborgene Zusammenhänge zu suchen und zu finden. Ein Geograph ist daher
immer auch ein Kartenfetischist.
3.1.4.1. Selbstähnlichkeit
Es kommt uns so vor, daß bestimmte Formen eine gewisse Komplexität aufweisen, da sie ihrerseits ein Raummuster darstellen.
3.1.4.2. Ähnlichkeit
Es kommt uns so vor, daß bestimmte Formen zusammengehören und sich nur graduell voneinander unterscheiden.
3.2. Methode der Geographie
Das Denken in Systemen entwickelt automatisch eine Methode,
sobald es zielgerichtet eingesetzt wird. Bei einem zu weit gesteckten
Ziel (Waldsterben) hilft entweder die Schaffung von Teilzielen oder die Verteilung der Arbeit auf die einzelnen Wissenschaften.
3.2.1. belagern
Man umzingelt den unbekannten Feind(das Nichtwissen) durch alle verfügbaren Informationen und probiert aus, wie dieser auf verschiedene Angriffe reagiert.
Welche Bestände (Arten, Alter, Licht, Untergrund...) sind
betroffen? Wie verhält sich das Ökosystem, wenn man spezifisch eingreift
(Artenzusammensetzung, Verjüngung, Auslichtung, Düngung...)?
3.2.2. nachdenken
Im Verlauf der Belagerung lernt man den Feind besser kennen. Dies
betrifft vor allem die Verteidigungssysteme des Feindes, aber auch sonst
scheint man dessen Innenleben besser zu verstehen.
Lassen sich die Vermutungen bestätigen (Krankheit,
Säureeintrag, Überdüngung, Verdichtung...) und welche Kettenreaktionen
lösen sie dann aus (Atmo-, Bio-, Hydro-, Pedo-, Techno-Sphäre...)?
3.2.3. lösen
Das Rätsel ist gelöst. Der Feind wird auf allen Ebenen gleichzeitig
angegriffen. Jede Ebene wird mit den eigens hierfür entwickelten Waffen
bekämpft.
Das Waldsterben ist in seinen Ursachen und Symptomen
erforscht. Es fehlt nur noch eine Zusammenfassung der Ergebnisse und
konkrete Vorschläge für Mechanismen (Baumarten, Bodenauftrag,
Emissionen, Holzabtransport, Holzmarkt, Licht, Naturverjüngung,
Totholzanteil...), die auf globaler, regionaler oder lokaler Ebene
greifen könnten, um somit dem Waldsterben Herr zu werden.
3.2.4. problematisieren
Es ist an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was einen Feind ausmacht.
Muss durch das neue Wissen (Waldsterben) der Umweltschutz grundlegend verändert oder nur in Teilbereichen ergänzt werden?
3.2.4.1. allgemein
Ein Feind hat sich schon im Vorfeld des Kampfes als Feind zu
erkennen gegeben. Die Abwehr des Feindes ist Aufgabe aller. Allein die
Mannschaftsleistung entscheidet
(Umweltrecht homolog zu Feindseligkeit).
3.2.4.2. speziell
Ein Feind stellt im Kampf eine spezielle Konfiguration von Modulen
dar. Jedes Modul kann getrennt von den anderen angegangen werden (Umweltgesetze analog zu Modulen).
3.3. Typus der Geographie
Entsprechend dem vorherrschenden Denkrahmen und der Auffassung
von der Eigentümlichkeit des Raumes ergibt sich zwingend der Typus der
Geographie und der des Geographen.
3.3.1. Phänologe
Ein Phänologe lässt sich von der Schönheit der Raumgestalt
verzaubern. Er sucht nach Aspekten, in denen sich der Rhythmus der Natur
widerspiegelt.
Ich vertraue auf meine Wahrnehmung von Erhabenheit und Anmut, um Schwankungen der räumlichen Ausprägung zu erkennen.
3.3.2. Prozesskundler
Wenn es Ideen und Ur-Sachen gibt, dann muss es auch ein Voranschreiten (Prozesse) geben.
Prozesse sind notwendig, da sie das räumliche Geschehen, welches in Etappen voranschreitet, begreifbar machen.
3.3.3. Philosoph
Ein Philosoph achtet auf die Erkenntnis. Er möchte alle Halb- und
Unwahrheiten, die sich durch den sorglosen Gebrauch einzelner Theorien
in das Bildungsgut eingeschlichen haben, vernichten, damit der weitere
Erkenntnisgewinn nicht behindert wird.
PHILOSOPHIE
- Einheit (Ist eine konsistente Theorie erkennbar?)
- Zusammenhang (Ist die Theorie mit anderen Th. verträglich?)
- Hochziel (Markiert die Theorie einen Meilenstein?)
- Beispiel (Lässt sich die Theorie nachprüfen?)
Als Pädagoge frage ich mich: "Hat die Theorie 'Hand und
Fuß'?", entspricht zum Beispiel die Wirtschaftsform noch den räumlichen
Gegebenheiten im Hinblick auf die angestrebte Gesellschaftsform?
3.3.4. Planer
Ein Planer möchte einen bestimmten Zustand erreichen bzw. bewahren.
Er wird hierzu einen verbindlichen Plan festlegen. Sein Plan darf aber
weder den technischen Fortschritt noch die Freiheit behindern. Ein
Planer ist jedoch kein Dienstleister, er informiert sich selbst und legt
dementsprechend seine Ziele fest.
Als Politiker frage ich mich: "Was ist zu tun und für wessen Seite ergreife ich Partei?"
3.3.4.1. Primärintegration
Der technische Fortschritt wird dahingehend beeinflußt (Verfassung), daß die Gesellschaft keine Schäden erleidet.
3.3.4.2. Sekundärintegration
Das Verhalten der frei wirtschaftenden Menschen wird dahingehend
beeinflußt (Vermögen), daß der technische Fortschritt angekurbelt wird.
Tatsächlich eintretende Schäden werden dann aus der Portokasse bezahlt.
3.4. Kultur der Geographie
Die Geographie kann den Raum auf die objektive oder subjektive
Art typisieren. Die Kultur der Geographie wurzelt also in ihrem
Anspruch, der Natur gegenüber gerecht zu werden.
Der Mensch fragt sich: "Wozu brauche ich die Geographie? Welche Rolle hat der Autor seiner Untersuchung zugedacht?"
3.4.1. ethisch
Die Geographie sagt, was sein soll. Sie orientiert sich dabei an den
Landschaften des Kontinuums und dem 'Leben' einer strukturellen
Innovation im Netzwerk.
3.4.2. moralisch
Die Geographie sagt, was üblich ist. Sie orientiert sich dabei an
den festgesetzten Grenzen der Länder und an den gegebenen
Stoffkreisläufen (Kapitalströme) oder Wanderungen im Netzwerk.
ANHANG 1
a) synthetische Urteile
Prämissen aus verschiedenen Kategorien ziehen als Conclusio ein
Urteil nach sich, das einen Teil Unwahrheit enthält. Solche
Erweiterungsurteile dürfen nicht für weitere Schlußfolgerungen
herangezogen werden.
HALBWAHRHEIT
- positivistisch
- menschlich
- humanistisch
- konservativ (entscheidungstheoretisch und behaviouristisch)
Der Positivismus befindet sich als Mischung aus magischem
Einheitsdenken und Reduktionismus auf der Suche nach der Weltformel.
Der Positivismus verkennt dabei den Schichtenbau der Welt (Evolution).
Jede niedere Schicht wird zwar von den nächsthöheren integriert, dabei
findet jedoch immer ein Qualitätssprung statt. Formeln lassen sich also,
wenn überhaupt, nur für die einzelnen Schichten finden. Für die
Schichten niederer Integration ist dies bereits geschehen (Astrophysik,
Teilchenphysik, Geophysik, Physik, Chemie, Mineralogie, Biochemie,
Bionik, Logistik). Daß dieses auch bei den höheren Schichten gelingen
wird (Biologie, Geographie, Geschichte, Kunst, Philosophie), ist eher
unwahrscheinlich, da in diesen Schichten der Mensch zuhause ist. Es ist
viel wahrscheinlicher, daß gerade unsere Sinne die evolutionäre Antwort
auf diese Schichten sind.
Die Menschlichkeit möchte bspw. in den Grunddaseinsfunktionen
die Sphären des Menschen festsetzen, kann sich aber nicht auf Befunde
aus der Biologie stützen.
Der Humanismus versucht das Bildungsideal der Aufklärung in
aller Welt zu verbreiten, ohne dialogisch auf die bestehenden Kulturen
einzugehen oder selbst dazulernen zu wollen.
Der Konservatismus verzichtet bei allen Dualismen auf die
komplexere Hälfte. Wider besseren Wissens und außerhalb einer einfachen
Beschreibung eingesetzt, befriedigt der Konservatismus nur die
Interessen derjenigen, die die Moral konservieren oder zu ihren Gunsten
steuern möchten.
Der entscheidungstheoretische Ansatz verkauft subjektive
Entscheidungen als objektiv. Die situationsbedingte Moral soll hierfür
das Alibi liefern. Daß für eine objektive Entscheidung jedoch erst das
eigene Denken in Frage gestellt werden muss, um hieraus die Ethik
abzuleiten, wird natürlich übersehen.
Der behaviouristische Ansatz verkauft subjektive Naturgesetze
als objektiv. Die Menschen werden erst zu Statisten reduziert, dann
wird deren Verhalten statistisch ermittelt. Dagegen sprechen vier
Punkte:
- Nur der Mensch (und nicht der Statist) zeigt sein ganzes Verhalten.
- Statistische Gesetze haben keine Aussagekraft, wenn sie zufällig sind.
- Der Geist des Menschen ist in der Lage, sein Statistendasein zu erkennen.
- Den Statisten wird ihr Recht auf Freiheit und Menschenwürde genommen.
b) Methodologie
Die Methodologie ist die Metaebene der einzelnen
wissenschaftlichen Methoden. Alle Wissenschaften laufen also nach
demselben Schema ab, berufen sich auf dieselben Ursachen, sind
gleichermaßen von der Wissenschaft überzeugt und teilen die gleichen
Interessen.
b1) SCHEMA
- Datengewinnung
- Datenaggregierung
- Aufgabengebiet
- Paradigma (Demokratie I oder II)
Die Geschichte der Wissenschaften zeigt, daß ein
Erkenntniszuwachs, der die bisherige Methodik innerhalb eines
Aufgabengebietes als Trugschluß entlarvt, von den betroffenen
Wissenschaften zu ignorieren versucht wird. Von wissenschaftlicher Seite
wird dann häufig zur Verteidigung eingeworfen, man hätte sich eben auf
ein gemeinsames Forschungsprogramm geeinigt und wolle dieses erst noch
bis in alle Einzelheiten testen. Gegen eine verschobene Berücksichtigung
ist an sich ja auch nichts einzuwenden, es stellt sich nur die Frage,
wird die nächste Einigung den Erkenntniszuwachs tatsächlich anerkennen
oder gibt es womöglich auch verschiedene Paradigmen der
Entscheidungsfindung?
DEMOKRATIE
- Diskussion oder Wahl
- Konsens oder Kompromiss
- Niveau oder Mehrheit
- Gemeinwohl oder Gruppeninteresse
b2) URSACHE
(nach ARISTOTELES: Physik, Buch II, Kapitel 3)
- causa materialis (Woraus entsteht etwas?)
- causa efficiens (Woher kommt der Anstoß?)
- causa formalis (Was wird verwirklicht?)
- causa finalis (Weswegen wird etwas gemacht und soll dieses Ziel auf direktem oder indirektem Wege erreicht werden?)
b3) ÜBERZEUGUNG
- Idealismus (unser Denken kann sich alles vorstellen)
- Rationalismus (unser Denken kann alles erklären)
- Konstruktivismus (unser Denken kann aus bereits Bekanntem Neues schaffen)
- Kritizismus (unser Denken kann Abweichungen vom Ist/Soll erkennen und sich richtig entscheiden)
b4) INTERESSE
- transzendent (Wie lässt sich dem Phänomen huldigen?)
- technisch (Auf welchen Tatsachen beruht das Phänomen? Wie lässt es sich erzeugen oder verhindern?)
Das Erkenntnisinteresse gibt den Startschuß für den
wissenschaftlichen Erkenntnisprozess. Dieser schreitet logisch voran auf
dem Erkenntnisweg. Das Ziel ist eine Theorie. Diese muss sich
anschließend in der Praxis bewähren. Die Probleme der Theorie in der
Praxis wecken erneut das Erkenntnisinteresse. Früher oder später, nach
mehreren Durchläufen, tritt dann der eigentliche Erkenntnisgewinn ein:
Alle Theorien und Probleme verbindet eine tiefergehende Erkenntnis. Absolute Wahrheiten kann es nicht geben!
c) Erkenntnisweg (siehe BIRD 1993:182 und MEDAWAR 1984:93ff)
- Verwandlung (Erkenntnis durch entstehende Probleme)
- Vollzug (Erkenntnis durch Demonstration)
- Vollendung (Erkenntnis durch Ästhetik)
- Versuch (Erkenntnis durch Ausprobieren)
- Gedankenexperiment (Hinterfragen der Bedingungen)
- Experiment (Entscheiden zwischen Hypothesen)
Am Ende einer wissenschaftlichen Arbeit steht sehr oft eine
Zusammenfassung. Diese führt in Kürze den Erkenntnisgewinn auf, der sich
auf einem der vier Erkenntniswege eingestellt hat.
Im Falle dieser Arbeit kann bisher vermeldet werden:
1. Das Problem, das nur deshalb entstanden ist, weil ein altes (erkenntnistheoretisches) gelöst wurde, ist ein psychologisches.
2. Die Arbeit demonstrierte das Dogma des ARISTOTELES.
3. Die Arbeit ist in der Sonatenhauptsatzform geschrieben.
4. Es fehlt nur noch die Anleitung für einen Versuch...
d) offene Fragen
"Welche Aufgabe wird der Geographie in einem Gedankenexperiment
zugewiesen und welchen Wert erhält sie dadurch für die Gesellschaft?"
"Bei einem Gedankenexperiment werden die Versuchsbedingungen
variiert. Das Ergebnis muss sich unter allen Bedingungen einstellen. Ein
Gedankenexperiment kann somit den einzelnen Wissenschaften ihr
jeweiliges Aufgabengebiet zuweisen. Das Gedankenexperiment ermittelt
dabei die perspektivischen Überschneidungen aller Wissenschaften für
einen beliebigen Forschungsgegenstand. Es gibt kaum noch Wissenschaften,
die einen Forschungsgegenstand exklusiv bearbeiten dürfen, die meisten
Wissenschaften müssen sich auf bestimmte Perspektiven beschränken.
PERSPEKTIVE (siehe EBERHARD 1999:17ff)
- von außen (phänomenal)
- von innen (kausal)
- von oben (theoretisch)
- von unten (aktional)
Für die Geographie heißt der Forschungsgegenstand 'Erde' oder,
bereits eingeschränkt, 'Erdoberfläche'. Nun dürfte klar sein, daß sich
fast alle Wissenschaften mit den Phänomenen auf der Erdoberfläche
befassen. Wenn die Geographie nicht näher ihre phänomenale Perspektive
beschreiben kann, sollte sie gleich ganz darauf verzichten. Selbiges
gilt für die kausale Perspektive. Bei
der theoretischen Perspektive lichtet sich schlagartig die Konkurrenz.
Geographen sollten sehr wohl in der Lage sein, juristische Theorien auf
ihre Berücksichtigung der Gegebenheiten der Erdoberfläche zu
hinterfragen. In der aktionalen Perspektive kann sich die Geographie die
Schwäche quantitativer Theorien (Ökonomie, Soziologie, Ökologie) bei
intangiblen Werten zu Nutze machen. Daß es in Wirklichkeit nur wenige
Stellen auf der Erde gibt, an denen quantitative Theorien tatsächlich
zutreffen, kann jede empirische Überprüfung seitens der Geographie
zeigen.
Der Wert der Geographie liegt also in ihrer Funktion als
Berater der Gesellschaft, welche Politik in einer konkreten Situation
die sinnvollste ist, denn nur die Geographie hat den räumlichen und
zeitlichen Überblick.
RECHTSSTAAT
- Gewaltenteilung
- Verfahren
- Meinungsbildung
- Entscheidungsträger (Parlament/Volksentscheid)"
"Gibt es eine Norm für geographische Arbeiten und wie können diese experimentell von nichtgeographischen unterschieden werden?"
"Ein Experiment ist ein Aufbau, der die Wahrscheinlichkeiten des
Eintretens alternativer Hypothesen zu testen versucht. Da sich nun die
Geographie psychologisch aus der Raumerkenntnis herleitet, ist ein
Hypothesentest 'Diese Arbeit ist eine geographische Arbeit' bzw. 'Diese
Arbeit ist keine geographische Arbeit' problematisch. Nichtsdestotrotz
hat der Verfasser acht Fragen aus Kapitel 3 entwickelt, mit denen jede
wissenschaftliche Arbeit konfrontiert werden kann. Der Verfasser möchte
bei geographischen Arbeiten zumindest die Hälfte der Fragen bejahen
können.
1. Wird auf die Genese des Raummusters eingegangen?
2. Gibt es eine kartographische Darstellung des Formenwandels?
3. Wird das Ergebnis homolog und analog mit anderen Ergebnissen verglichen?
4. Werden Phänotypen beschrieben?
5. Werden Prozesse beschrieben?
6. Wird philosophiert?
7. Wird die Politik in Frage gestellt?
8. Wird zwischen Ethik und Moral unterschieden?"
ANHANG 2
a) wissenschaftlicher Stellenwert
Die Geschichte der Wissenschaft kann in verschiedene Epochen
eingeteilt werden. Jede dieser Epochen hat ihr eigenes Weltbild. In
jeder dieser Epochen gelten bestimmte wissenschaftliche Disziplinen mehr
als andere.
1. Epoche
Es ist sinnvoll, die Geschichte der Wissenschaft im frühen
Mittelalter beginnen zu lassen, denn die Wissenschaft der Antike ging im
frühen Mittelalter (in Europa) fast vollständig verloren. Papst
AUGUSTINUS wollte alle Wissenschaft auf die Theologie festlegen. Selbst
die Philosophie wurde zur Magd der Theologie.
2. Epoche
Im späten Mittelalter gibt es eine Neuorientierung, weg von PLATON,
hin zu ARISTOTELES. Sicherlich befindet sich die Erde (= die Kirche)
noch im Mittelpunkt der Welt, doch das geozentrische Weltbild wird
bereits durch eine komplizierte Sphärengeometrie zu erklären versucht.
3. Epoche
Am Ende des Mittelalters stehen die Renaissance und die Reformation.
Im Zuge der Emanzipation von der Kirche und den vielen technischen
Neuerungen entstehen kapitalistische Strukturen, die weltweit neue
Märkte erschließen und dabei die Kontinente entdecken. Spätestens im
Barock ist ein heliozentrisches Weltbild vorhanden, ein großer
Himmelsmechanismus, von Gott verursacht. Zu seinem Ruhm werden
Geometrie, Mathematik, Musik und Physik betrieben.
4. Epoche
Die neuen Wahrheiten der Physik ermuntern die Schriftsteller, gegen
die moralische Instanz der Obrigkeit zu rebellieren. Es dauert nicht
lange, bis Revolutionen neue Gesellschaftsformen einleiten sollen. Deren
ontologische Grundstimmung wird jedoch mit den Wahrheiten der
Industrialisierung konfrontiert. Als Antwort hierauf entsteht der
historische Materialismus. Da die Welt zugleich von Europa aus
kolonisiert wird, besteht Interesse an: Geographie, Ökonomie, Geschichte
und Erfindungen.
5. Epoche
Die Moderne beginnt mit den Umsetzungen der Erfindungen des 19.
Jahrhunderts (Elektrizität) und endet mit der Abrüstung in der
Nachkriegszeit. Wissenschaften, die das Wachstum vermitteln, sind:
Statistik, Chemie & Medizin, Soziologie & Politik und
Maschinenbau.
6. Epoche
Die Postmoderne erlebt den Kapitalismus auf hohem materiellem
Niveau, dafür aber ohne jeden geistigen Tiefgang. Selbst die
Wissenschaften bieten Dienstleistungen an, ohne sich zu fragen, wem sie
denn diese Dienstleistungen
anbieten und warum sie nicht einfordern, entsprechend ihrer Kompetenz
als
Entscheidungsträger für die Gesellschaft akzeptiert zu werden. Die
Entscheidungsträger begnügen sich mit Logistik, Teilchenphysik,
Marktforschung und Konsumgütern.
7. Epoche
In der Zukunft werden sich ökologische Probleme und ökonomische
Disparitäten nicht mehr unter den Tisch kehren lassen. Zum Überleben
werden Informationen gebraucht: Computersimulation, Nano- &
Biotechnik, qualitative Kybernetik, Kommunikation.
b) geographischer Stellenwert
Die Geographie hat seit dem Zweiten Weltkrieg eine bewegte
Vergangenheit durchlebt. In den seltensten Fällen wurde diese
'Revolutionen' konsequent durchdacht, so daß schon bald nach jeder
dieser Veränderungen berechtigte Gegenargumente laut wurden. (HARD
1990:2) weist darauf hin, daß es zwar eine Vielzahl von geographischen
Definitionen gibt, daß aber nicht geklärt ist, wie Definitionen der
Geographie gewonnen werden können. "Hinzu kommt - und das ist der
Anlass dieses Textes - daß die vorliegenden Analysen und
Behandlungsvorschläge in der geographischen Literatur (einschließlich
meiner eigenen ...) meiner heutigen Ansicht nach durchweg wenig
befriedigend sind. Fast alle, ob situationsbezogen oder
allgemeingehalten, laufen darauf hinaus, die Frage zu eskamotieren und
den Fragenden auszutricksen." Als unmittelbare Folge hiervon steht
die Geographie wissenschaftlich kurz vor ihrem Aus. Viele
Nichtgeographen (und auch Geographen?) bezweifeln allein schon die
Möglichkeit einer wissenschaftstheoretischen Begründung der Geographie.
Diese Auffassung kann der Verfasser nicht verstehen. Statt dessen wird
die jüngere Geschichte der Geographie grob skizziert und mit einem neuen
Ende versehen, mit der Position des Verfassers.
1. Phase: Die geographische Welt ist noch in Ordnung.
Die Geographie bedient sich bei der Beschreibung eines
Raumausschnittes des Dualismus' von idiographisch und nomothetisch.
Idiographisch ausgerichtet ist die Länderkunde: Jeder Raumausschnitt ist
darin einzigartig und wird durch das Schichtenmodell beschrieben.
Nomothetisch ausgerichtet sind die einzelnen Teildisziplinen der
Geographie, wie zum Beispiel die Wirtschaftsgeographie und die
Geomorphologie. Jeder Raumausschnitt wird in ihnen auf das auch in
anderen Raumausschnitten Wiederkehrende hin untersucht, also auf
Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel Tertiärisierung und Solifluktion.
Das Bindeglied zwischen der Länderkunde und den einzelnen geographischen
Teildisziplinen ist der Raumausschnitt einer Landschaft. Darüber, was
eine Landschaft genau sein soll, gibt es jedoch eine Vielzahl von
Vorstellungen und Definitionen.
2. Phase: Die Geographie wird positivistisch.
Der Dualismus von idiographisch und nomothetisch wird aufgehoben,
indem gefordert wird, die Geographie müsse ihre Sonderstellung aufgeben
und sich zu einer Naturwissenschaft weiterentwickeln. (BARTELS 1968:62)
schreibt hierzu: "Nun hat uns NAGEL mit seinem berühmt gewordenen
Aufsatz gezeigt, daß man vor dem Satz 'Das Ganze ist mehr als die Summe
seiner Teile' nicht zu verharren braucht, sondern daß es gerade darauf
ankommt, nunmehr die Natur des vermuteten oder teilweise erkannten
Gefüges zu analysieren, seine Strukturen als einen Systemzusammenhang
... aufzudecken. Ergaben sich hierfür zunächst vor allem qualitative
Einzelansätze, so liegt diese Aufgabe heute vielfach mehr auf dem Gebiet
einer Fortentwicklung von weiterreichenden Theorien auch quantitativer
Systemzusammenhänge." Die idiographische Länderkunde ist in
Wirklichkeit also nicht die Krönung, sondern das deskriptive
Anfangsstadium der Geographie, gefolgt von der systematischen
Landschaftskunde (2. Stadium) und von den qualitativen Gesetzmäßigkeiten
(3. Stadium). Es bedarf daher einer umfassenden quantitativen
Revolution (4. Stadium) mit der Zielsetzung von Simulationen (5.
Stadium).
3. Phase: Die Geographie wird aufgeteilt.
Die naturwissenschaftliche Geographie begeht den Fehler, daß sie das
subjektive Raumempfinden der Menschen ignoriert. Daher ist es
notwendig, daß sich die Sozialwissenschaften anderer quantitativer
Gesetzmäßigkeiten bedienen, nämlich den Wahrscheinlichkeiten. Die
multivariate Statistik ist das verbindliche Handwerkszeug eines jeden
Soziogeographen. Die physische Geographie soll weiterhin
naturwissenschaftlich bleiben. Der Naturwissenschaftler (CARNAP 1969:16)
schreibt: "Manchmal sind die einzigen Gesetze, die man zur Erklärung
anwenden kann, statistische und keine Universalgesetze. In diesen
Fällen müssen wir mit einer
statistischen Erklärung zufrieden sein ... Wenn ein statistisches Gesetz
auch nur eine sehr schwache Erklärung liefert, so ist es doch eine
Erklärung ... Unsere beschränkte Kenntnis der psychologischen Gesetze,
der zugrundeliegenden physiologischen Gesetze und ihres Zusammenhanges
mit den physikalischen Gesetzen ist dafür verantwortlich, daß wir die
Gesetze der Sozialwissenschaften statistisch formulieren müssen."
4. Phase: Die Geographie wird humanistisch.
Die Soziologen begehen den Fehler, daß sie das Verhalten der
Menschen nicht verstehen, sondern nur erklären. Es ist für
Anthropogeographen notwendig, sich in die Situation der oder des
Menschen zu versetzen. Dieses kann nicht mittels Fragebogen und Computer
erreicht werden, sondern nur durch die Teilnahme am Geschehen vor Ort.
(PEET 1998:47f) beschreibt den Unterschied zur 2. und 3. Phase so: "Positivist geography looks at environment and sees space.
That is, positivist geography sees stretches of homogenized earth
surface, characterized by extension measurable in standard units
(miles); with the human relation to space theorized as the expenditure
of effort needed to overcome the friction of distance (transport costs,
travel time) ... Humanistic geography looks at environment and sees place
- that is, a series of locales in which people find themselves, live,
have experiences, interpret, understand, and find meaning. Yet the mere
mention of place as center of life experience evokes in the positivist
mind the suspicon that humanistic geography in unscientific, new age
sentiment, incapable of producing generalizations beyond personal
opinion."
5. Phase: Die Geographie wird radikal.
Die Humanisten begehen den Fehler, daß sie die Gesetzmäßigkeiten der
Geschichte übersehen. Im Marxismus und im Feminismus sind die Antworten
auf alle gesellschaftlichen Probleme enthalten. Der
Politikwissenschaftler (HÄTTICH 1969:45) erläutert den Hintergrund: "Als
Struktur bezeichnen wir das relativ konstante Gefüge der Gesellschaft.
Je differenzierter eine Gesellschaft ist, um so verschiedenartiger sind
die in ihr auffindbaren strukturbewirkenden und strukturerhaltenden
Faktoren. Es können also verschiedene Strukturbilder
unterschieden werden. Solche Strukturbilder sind gegenüber der
gesellschaftlichen
Wirklichkeit eine Abstraktion; die unterschiedenen Gefüge liegen nicht
gesondert nebeneinander in der Wirklichkeit. Aber die Abstraktion ist in
der Realität begründet, weil die verschiedenen Faktoren verschiedene
Strukturen bewirken, die ihre spezifischen Eigenheiten und auch
Eigengesetzlichkeiten erkennen lassen. Auf diese Weise wird es möglich,
die Gefügearten der Gesellschaft aus dem sozialen Komplex herausgelöst
zu betrachten, ohne die soziale Wirklichkeit schon durch den
methodischen Ansatz zu verfälschen. Es lassen sich auch die
Wechselwirkungen zwischen den Gefügen erkennen."
Die historischen Wechselwirkungen der Strukturen von Gesellschaft,
Wirtschaft und Erkenntnis stellen sich, frei nach (EBERHARD 1999:60ff), als
"hypothetische Systematik" folgendermaßen dar (siehe Tabelle 3).
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